Beitrag vom: 5.08.2023 Kategorie: Aktuelles-AllgemeinKrankenhäuserPresse (ab September 2020)

Notlage des Klinikums Hanau im Fokus

op-online.de vom 05.08.2023

Viele Krankenhäuser sind selbst zu Patienten geworden. Sie hängen am Tropf. Aber die Nährlösung fließt nicht so recht. Das städtische Klinikum Hanau ist nur eines von vielen, die wegen der finanziellen Schieflage Alarm schlagen, auch am Donnerstag anlässlich des Besuchs von Dr. Edgar Franke, Staatssekretär im Berliner Gesundheitsministerium.

Hanau – Die letzten fünf Jahre vor der Corona-Pandemie sei man noch gut über die Runden gekommen. Dann kamen die Finanzen, wie in fast allen Krankenhäusern, ins Rutschen. „Wir sind Post-Corona-Opfer“, sagt Geschäftsführer Volkmar Bölke. Grund: Weniger Behandlungen und zurückgehende Operationszahlen, dazu „Kostensteigerungen von mehr als 20 Prozent“, so Bölke, zum Beispiel bei Medikamenten, Medizintechnik oder Energie.

Die um sieben bis neun Prozent gestiegenen Erstattungen könnten das nicht auffangen. Bölke: „Das geht einfach nicht auf.“ Und „der Super-GAU kommt erst noch 2024“. Dann müssten bei den Personalkosten die Tariferhöhungen bilanziert werden.

Es sind überall dieselben Finanznöte, die der Parlamentarische Staatssekretär zu hören bekommt. 50 bis 60 Krankenhäuser hat er in den vergangenen eineinhalb Jahren im Hinblick auf die umwälzende Klinikreform besucht, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant. Er wolle „Anregungen, Probleme und die Stimmung vor Ort aufnehmen“, sagte er beim Pressegespräch nach einem Rundgang unter anderem in der Notaufnahme und der Radiologie des Stadtklinikums.

Zwar wurde von Hanauer Seite betont, wie „schön und wichtig“ (Bölke) die Gespräche seien. Aber die Stimmung ist schlecht. Die geplante Krankenhausreform und das mit den Ländern vor wenigen Wochen abgestimmte Eckpunktepapier seien „unbestritten richtig“, sagte Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri (SPD). „Der kritische Punkt ist aber die Zeitschiene.“ Heißt: Die Kliniken brauchen Geld. Und das schnell.

Die Stadt Hanau musste unlängst einen Liquiditätstopf für ihr Klinikum mit 13 Millionen Euro füllen, und der Main-Kinzig-Kreis schnürte ein 30-Millionen-Euro-Hilfspaket für seine Krankenhäuser (wir berichteten). Bieri: „Auf Dauer ist das so aber nicht finanzierbar.“

Staatssekretär Franke betonte, dass eine Krankenhausreform notwendig ist, die eine von allen Beteiligten begrüßte Abkehr von den Fallpauschalen bedeutet. Das jetzige System vergütet nach der Zahl der behandelten Fälle. Künftig soll ein großer Anteil der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Personal und Medizintechnik erfolgen. „Die Feuerwehr bekommt ja nicht nur Geld, wenn sie ausrückt“, verdeutlicht Franke den bevorstehenden Systemwechsel. Zudem betonte er, dass durchaus Transformationsmittel vorgesehen seien. Man werde die Entwicklung in zwei, drei Jahren in der Finanzplanung berücksichtigen. Franke: „Wir werden alles dafür tun, dass nicht die falschen Häuser in die Insolvenz gehen.“

Dass es Klinikschließungen geben wird, hat auch Gesundheitsminister Lauterbach eingeräumt. Das könne vor allem kleinere Klinken in den Städten betreffen. Beim Hanau-Besuch sagte sein Staatssekretär, dass in Zukunft vor allem die Krankenhäuser „in Ballungszentren arbeitsteilig arbeiten“ müssten.

Was das fürs medizinische Angebot der Zukunft in Hanau bedeuten werde, „können wir aktuell nicht beurteilen“, antwortete Bürgermeister Bieri auf eine entsprechende Frage. Die Brüder-Grimm-Stadt hat mit dem städtischen Klinikum und St. Vinzenz zwei Krankenhäuser und zum Teil Doppelstrukturen. Mit der Krankenhausreform müssten im Main-Kinzig-Kreis „nicht nur die Qualität der medizinischen Versorgung, sondern auch die Standorte erhalten bleiben“, fordert die SPD-Landtagskandidatin Jutta Straub.

Zunächst gehe es aber darum, die Finanzierung der Kliniken bis zur Umsetzung der notwendigen Reform zu sichern, fordert Geschäftsführer Bölke. Das seien Aufgaben von Bund und Land. Die blicken sich aber offenkundig gegenseitig an. Für die Investitionen sei schließlich das Land zuständig, sagt der Berliner Staatssekretär, „doch da gibt es eine Lücke“.

Ob Bund oder Land – wo das fehlende Geld herkommt, dürfte den Trägern der Krankenhäuser wie der Stadt Hanau reichlich egal sein. Es müsse kurzfristig für die Kliniken „ein zusätzliches Programm geschaffen werden, um die Mehrkosten aufzufangen“, sagt auch der hiesige Bundestagsabgeordnete Lennard Oehl (SPD). Ansonsten würden viele Kliniken „bei der Umsetzung der Reform gar nicht mehr dabei sein“, warnt Klinikum-Geschäftsführer Bölke, „wenn eine Insolvenzwelle auf uns zukommt.“

 

Bild: Auch das Klinikum Hanau kämpft mit Kostensteigerungen: Aktuell muss die Stadt einen Liquididätstopf mit 13 Millionen Euro bereitstellen. © PATRICK SCHEIBER

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